Hunderttausend Schüler treffen sich freitags auf den Straßen, um ihre Sorge, ihren Unmut, ihre Befürchtungen und vor allem ihre Forderungen an Gesellschaft und Politik in die Welt hinauszutragen. Hunderttausende, die bisher nicht als Bestandteil der politischen Entscheidungsfindungen beachtet wurden und doch einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Wahlen lokal und in ganz Europa hatten.
Sie fordern einen Wandel im Umgang mit Natur und Ressourcen. Nicht irgendwann und irgendwo, sondern hier und jetzt. Sie fordern ein Umdenken in der Art und Weise wie wir Leben und Gemeinschaft gestalten. Können Schüler das? Sind sie reif, mündig, informiert genug?
Wir haben in diesen Tagen dazu einen Workshop an einer lokalen Schule veranstaltet. Einen Workshop mit dem Anspruch den Schülern Informationen, Material und Rahmen zur Verfügung zu stellen und sie ihre eigenen Ideen entwickeln zu lassen.
Die Fragen waren:
Was ist eigentlich Klimawandel?
Betrifft uns die ökologische Krise?
Wie ernst sind die Veränderungen, die auf uns zukommen?
Offene Fragen, auf die sie eigene Antworten finden sollen. Keine Schulbücher, keine aufbereiteten Materialien. Stattdessen der IPCC-Bericht, Materialien der UN CC und eigene Recherche.
Schule als Prozess, in dem junge Menschen zu mündigen Erwachsenen heranwachsen dürfen. Mündigkeit, das bedeutet auch, zu wissen, wie man sich mit Sachverhalten und Fakten auseinandersetzt. Abseits von eigenen Bequemlichkeiten und Wünschen eine Lage zu erfassen. Aus diesem Erkenntnisprozess heraus kann eine informierte Handlung entstehen. Ist die Dringlichkeit der Lage wirklich verstanden, folgt der Wunsch Maßnahmen zu finden, die hilfreich, zukunfts- und gemeinschaftsfördernd sind, von ganz allein.
Dieser Zweischritt war in den gemeinsamen Tagen essentiell wichtig. Schnell kam die Rückmeldung, dass die Klimakrise nicht nur echt zu sein scheint, sondern als beunruhigend, gar bedrohlich empfunden wird.
Eine junge Frau sagte:
"Schreib nicht, der Klimawandel könnte unser Leben, wie wir es kennen verändern. Schreib der Klimawandel verändert unser Leben, wie wir es kennen. Denn er ist echt, sehr echt."
Schnell war die Verbindung zwischen der eigenen Situation und der Faktenlage gezogen. Erderwärmung, das bedeutet massive Veränderungen in allen Lebensbereichen. Aufzuwachsen und vielleicht irgendwann selbst Kinder zu bekommen, in einer Welt, die sich in zahlreichen Punkten unterscheidet von dem was wir kennen. Im Klima, in der Tier- und Insektenwelt, in der Weise wie wir Essen, Leben uns selbst erfahren. Klimawandel, so die große Sorge, das bedeutet vielleicht sogar den Zusammenbruch der sozialen Strukturen, die uns heute Sicherheit, Bildung, Infrastruktur bieten.
Für die jungen Menschen ist Klimawandel und der Protest für eine Politik, die sich dessen mit Ernsthaftigkeit annimmt, Zukunftsgestaltung. Eine Zukunft, die ihnen weit offen steht und gleichzeitig sehr bedrohlich wirkt. Der verständlicherweise aufkommenden Angst und Sorge muss etwas entgegengesetzt werden, sonst folgt auf die Flut von Daten und Fakten ein Gefühl der Verzweiflung oder Ohnmacht.
Ausgewogenes Engagement hat immer zwei Seiten: Information und Handlung. Wissen und Aktion.
Aus der Ernsthaftigkeit der Lage heraus wurde eine Welle an Ideen, Vorschlägen und Alternativen geboren. Ganz schnell wurde klar, dass Klimawandel alle Aspekte des Lebens betrifft:
Was kann ich als Einzelner tun? Worauf kann ich verzichten und welcher Verzicht bewirkt tatsächlich etwas? Wo kann ich aktiv werden und gestalten? Wie kann ich mein Wissen weitervermitteln?
Was können wir als Schulgemeinschaft tun? Wie können wir andere ansprechen und für das Thema interessieren? Wie sorgen wir dafür, dass man uns ernstnimmt und unterstützt?
Doch letztendlich war klar, das auch die Politik gefordert ist den Rahmen zu schaffen, in dem solche Eigeninitiativen Fuß fassen können. Die Bereitschaft sich selbst einzuschränken muss begleitet werden von Gesetzen, Maßnahmen und Projekten, die im großen Maßstab etwas ändern.
Die Kreativität, die Ernsthaftigkeit, die kritischen Fragen und das Engagement der Schüler liesen keinen Zweifel daran: es geht ihnen um etwas. Sie haben den Ernst der Lage begriffen, haben das Engagement und den dringlichen Wunsch etwas zu ändern. Ihnen die Hände zu reichen, sie ernstzunehmen und gut zuzuhören, das ist die Aufgabe der Eltern, der Erwachsenen, der Politik.
Junge Menschen brauchen eine Möglichkeit ihre Zukunft mitzugestalten. Um zu spüren, dass sie etwas bewirken können, denn das verhindert Angst. Um zu spüren, dass sie ernstgenommen werden, denn das verhindert Rückzug in Ignoranz. Und weil wir ihre Kreativität, ihren Ernst und ihre frischen Ideen dringend brauchen, um die wichtigen Veränderungen anzugehen, um ein Zusammenleben auf diesem Planeten möglich zu machen.
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